ERFÜLLUNG eines Wunschtraumes: Die Elektrik-Armbanduhr ist da!

Neue Uhrmacher-Zeitung 12/1958 in: Neue Uhrmacher-Zeitung 1958/12

In aller Stille entwickelte das Uhren=Werk=Ersingen (Alleininhaber Helmut Epperlein) in Ersingen bei Pforzheim eine elektrisch betriebene Herrenarmbanduhr von größter Ganggenauigkeit.

Die elektrisch betriebene Armbanduhr ist ein alter Wunschtraum und an ihrer Funktion wird im In= und Ausland seit vielen Jahren laboriert. Der elektrischen Armbanduhr ist die Aufgabe gestellt, durch größte Vereinfachung aller Funktionswerte dem Bedarfsträger zu dienen und auch in den äußeren Formen ein ansehnliches Gebilde zu bleiben. Jahrelange Versuchs- und Forschungsarbeiten des Uhren=Werks=Ersingen, Inhaber Helmut Epperlein, führten in Zusammenarbeit mit weiteren Firmen zur Konstruktion einer elektrisch betriebenen Armbanduhr, die die Höhe und Größe der gewohnten normalen Armbanduhr erfreulicherweise nicht überschreitet und diese vor allem an Genauigkeit übertrifft.

Die mit der Entwicklung beauftragten Techniker erklären, das eine

bisher fast unerreichte Ganggenauigkeit

erreicht worden sei. Wie man weiß, hat sich schon vor längerer Zeit der Gedanke durchgesetzt, eine Armbanduhr zu konstruieren, die - bei größter Ganggenauigkeit -

ohne Aufzugfeder, Federhaus, Triebwerk, Anker, Ankerrad und Aufzug

funktioniert. Trotz der fortwährenden Verbesserungen auf dem Sektor der Armbanduhrenfabrikation und anderen Zeitmeßgeräten, entschloß sich der Unternehmer im Ersinger Werk mit einigen technisch versierten Mitarbeitern zusammen zu dem schwerwiegenden, zeitraubenden und kostspieligen Versuch, gerade angesichts des Zeitalters der atomaren Fortschritte eine Uhr zu schaffen, die an jeder Hinsicht dem heutigen allgemeinen Stand der Technik entspricht. Das konnte nur eine elektrische funktionierende Armbanduhr sein. Mit dem Gedanken begannen die Versuche. Zunächst galt es, eine Reihe kostspieliger

Patente im In= und Ausland

anzumelden, als die ersten Versuche endlich glückten. Mitte des vorigen Jahres war man fabrikationsmäßig so weit, um in Serie produzieren zu können. Über ein Jahr jedoch trugen der Unternehmer und einige technische Mitarbeiter je eine elektrische Armbanduhr tagein, tagaus, um durch die täglich über diesen langen Zeitraum hinweg wiederkehrende, gleichbleibende Resultate selbst an allererster Stelle den Beweis der Genauigkeit und Verläßlichkeit dieser Uhr zu erhalten.

Die Idee als solche ist vier Jahre alt

Es gehörte ein ungeheurer Fleiß dazu, trotz aller Alarmnachrichten die zeitraubenden Versuche bis zu ihrer letzten Verläßlichkeit durchzuführen und als man schließlich eine Herrenarmbanduhr 11½''' mit einem Magnetsystem geschaffen hatte, war man am Ziel. Die Spulen für die elektrisch betriebene Armbanduhr, die die größte Exaktheit auf elektrotechnischem Gebiet erfordern, werden bereits in Ersingen selbst fabriziert. Während der Entwicklung ist dem Firmeninhaber und seinen Mitarbeitern nichts erspart geblieben.

Ein wichtiger Gesichtspunkt

mußte beachtet werden: Nur eine kinderleichte Betreuung des elektrisch betriebenen Werkes konnte absatzmäßige Komplikationen ausschließen. Das ist erreicht worden.

Das Auswechseln der Batterie

kann vom mechanischen Teil völlig getrennt erfolgen. Die Uhr selbst wird nur an den Uhrenfachhandel abgegeben. Sie verfügt über ein einfaches, aber modernes Zifferblatt in weiß oder schwarz.

Noch etwas ist eingetreten: Die elektrisch funktionierende Armbanduhr erfordert kein Gangsetzen mehr. Das Mechanische hat mit der Schaffung der elektrisch betriebenen Armbanduhr aufgehört und die reine Wissenschaft begonnen, deren Hintergründe im Laboratorium entwirrt worden sind. Man bedenke, daß bei dieser Uhr Feder, Federhaus, Triebwerk, Anker, Ankerrad und Aufzug künftig in Wegfall kommen.

Die Trockenzelle ist im Werk untergebracht

und das Gehäuse wasserdicht. Sie unterliegt daher keinerlei äußeren Einflüssen. Hier einige aufschlußreiche technische Einzelheiten. Das Ersinger Werk hat eine elektr. getriebene Armbanduhr entwickelt, deren Balance (Unruh) in einer außergewöhnlich großen Abmessung gehalten ist, um eine größte Genauigkeit in jeder Lage zu erreichen. Auf dem Schenkel der Balance (Unruh) ist eine aus dünnstem Draht gefertigte Spule eingelassen, die durch einen Antrieb zum Schwingen gebracht wird und der - im Wechsel aussetzend - die Spule an ihrem Rande aufladet, die sich in einem unter der Balance (Unruh) fest aufgebauten Magnetfeld bewegt. Durch eine befreundete Firma wurde in einem besonderen, langwierigen Verfahren eine kostspielige Magnetlegierung entwickelt, welche über die erforderlichen magnetischen Eigenschaften zur absoluten Sicherheit verfügt.

Was sagen die Konstrukteure nun zur elektrischen Trockenzelle?

Die elektrische Trockenzelle wurde von einer Spezialfabrik in langwierigen Versuchs= und Forschungsarbeiten hergestellt und besitzt die Eigenschaft, bei langer Lebensdauer niedrigste Ströme abzugeben. Die elektrische Energiezelle liegt bequem in einer Ausfräsung des Werkes und wird durch eine Abdeckbrücke (Batteriebrücke) festgehalten. Beim

Auswechseln der Energiezelle

müssen lediglich zwei Schrauben gelöst werden. Der Uhrmacher kann mit wenigen Handgriffen dieses kinderleichte Auswechseln selbst durchfuhren. Die Kontaktfeder ist aus dünnstem, nicht ermüdendem Metall hergestellt. Sie befindet sich auf einem fest verankerten Metallbolzen auf der Kontaktbrücke und hat die Aufgabe, durch einen an ihrem äußeren Ende aufgeschweißten Metallkontakt den Stromkreislauf zu unterbrechen oder zu schließen. Die elektrische Armbanduhr ist mit einer durch mehrere Patente geschützten Stoßsicherung versehen, welche horizontal und vertikal zugleich ausweicht.

Während einer

ununterbrochenen Laufzeit von 13 bis 14 Monaten

muß die elektrisch betriebene Armbanduhr weder aufgezogen noch durch Bewegungen in Gang gehalten werden. Sie erhält ihre elektrische Energie durch eine winzige Miniaturtrockenzelle, die lediglich die Größe eines kleinen Knopfes besitzt. Da Zugfeder, Federhaus und Triebwerk als Kraftquelle weg= fallen, ergeben sich vermittels eines gleichmäßig pulsierenden elektrischen Kraftstromzuflußes bisher noch nie erzielte Genauigkeiten.

Das Mechanische hört auf - die Wissenschaft beginnt!

Interessante und technische Details, die den Uhrmacher am stärksten interessieren:

Einzelheiten über die Batterie

Die Batterie ist in einer Ausfräsung der Werkplatine ein= gelassen und durch eine Abdeckbrücke mit zwei Schrauben festgehalten. Das Auswechseln der Batterie geschieht also in der einfachsten Art und Weise, indem der Uhrmachermeister noch nicht einmal das Werk aus dem Gehäuse nehmen muß. Die Batterie hat einen Durchmesser von 0,440", es beträgt die Höhe 1/8,das Volumen 0,31 cc, das Gewicht 1,4 Gramm. Das Gehäuse der Batterie ist mit einer Feingoldauflage versehen, um Störungen jeder Art auszuschalten. Ein sog. "Schweißen" der Batterie wie bei anderen Zellen ist in keinem Falle gegeben, da es sich um einen Energiespeiser für Uhren (Trockenzelle) handelt. Das Gehäuse der Batterie ist mit der Werkplatine "positiv" verbunden, wogegen ein kleiner Zinkausschnitt den "negativen" Leiter der Kontaktleitung bildet. Die Batterie hat 1,5 Volt, 6o Milliampere/Stunden bei stoßweiser Belastung.

Die Entspannungskurve der Batterie geht steil nach unten, das heißt, daß innerhalb weniger Stunden der Träger der elektrischen Armbanduhr merkt, wenn eine neue Trockenzelle ersetzt werden muß. 95 Prozent laufender Betriebswert nach zwölf Monaten bei 70 Grad Fahrenheit. Ausgezeichnete Widerstandsfähigkeit gegen jeden äußeren Einfluß, in jedem Falle hat keinen Einfluß auf die Batterie und das gesamte elektrische Magnetsystem, da sämtliche Kontakte aus Edelmetall = Pla=
jedoch antimagnetisches Material. Sämtliche Trockenzellen sind bei Nachlieferungen in einem Folieumschlag verpackt und müssen bis zum Einsetzen (Furniturendienst) in eine Uhr "kühl" gelagert werden. Selbstverständlich ist, daß Fertiguhren mit eingesetzter Batterie - betriebsfertig - das Werk verlassen und geliefert werden.

Kondenswasserbildung

tin/Gold sind. Die elektro=chemische Energie der Trockenzelle entspricht dem Vierhundertfachen derjenigen einer mechanischen Antriebsfeder. Beim Batteriewechsel ist darauf zu achten, daß man nicht den Mittelkontakt der Batterie berührt, da bereits winzige Salzspuren einen Übergangswiderstand bilden können, der zur vorzeitigen Erschöpfung der Batterie führen würde.

Kontaktsystem

Warum wurde das Kontaktsystem gewählt? Lange Versuchsreihen mit Kontaktsystemen und Transistoren fanden statt, um die beste und sicherste Lösung für den Uhrmachermeister zu finden. Der Entschluß stand fest: Kontaktsystem! Dem Uhrmachermeister mit jahrelangen Erfahrungen und Kenntnissen zu dienen, war der im Vordergrund stehende Gedanke.

Warum eine umwälzende Neuheit mit Kompliziertheit auszustatten?

Nein! Einfach, sicher und funktionsfähig müssen die Dinge sein, mit denen der Uhrmachermeister in kürze umzugehen hat. Transistoren von der Größe einer kleinen Glasperle gaben uns in keinemfalle die Sicherheit und Gewähr (nach dem heutigen Stand der Technik), dieselben als "Versuchskaninchen" in eine so umwälzende Neuheit innerhalb der Kleinuhrenindustrie unterzubringen, wegen ihrer zu hohen Temperaturempfindlichkeit. Auch das Auswechseln eines Transistors (gelötete Enden) würden den Uhrmachermeister vor die Aufgabe stellen, Akrobatenkunststücke zu vollbringen. Deshalb wurde, um die größtmöglichste Sicherheit anzuwenden Kontaktsystem verwendet. Eine so umwälzende Neuheit wie die elektrische Armbanduhr des Uhren=Werkes=Ersingen mußte also nicht nur monate=, sondern jahrelang ausprobiert werden, um erst dann "auf den Käufer losgelassen zu werden". Dies ist in jedem Fäll restlos gelungen.

Kontaktfeder

Die Kontaktfeder, eine der wichtigsten Bestandteile der Uhr, wurde aus nicht ermüdendem Metall nach langen, abgeschlossenen Versuchsreihen auserwählt. Sicherheit überall war der Grundgedanke, bevor das elektrische Werk in die serienmäßige Fabrikation aufgenommen wurde, geht es doch darum, der elektrischen Armbanduhr das Vertrauen der breiten Käuferschichten abzugewinnen.

Das Prinzip der elektrischen Uhr

Das Prinzip der elektrischen Uhr ist folgendes: Die Balance erhält ihren Impuls direkt durch einen elektrischen Stromstoß der von der Trockenzelle geliefert wird. Eine ganz kleine Spule ist auf den inneren Senkeln des Balancereifens eingelassen, und in einem gegebenen Moment - sobald die Spule über drei feststehenden Permanentmagneten liegt - sind die Kontakte geschlossen und der elektrische Strom wird durch die Spule geschickt. Das so erzeugte Magnetfeld steht in einem wechselweisen Einfluß mit dem durch die Permanentmagneten erzeugten Feld in der Gestalt, daß die Balance angetrieben wird. Dies jedoch geschieht nur dann, wenn die Balance sich in einer bestimmten Richtung bewegt. In der anderen Richtung sind die Kontakte nicht geschlossen. Besondere Permanentmagneten aus einer Platinlegierung mußten zur Verwendung kommen, um die notwendige Stärke des Magnetfeldes zu erzielen.

Spule

Die Spule stellte eines der Hauptprobleme dar. Aus dünnstem, isolierten Kupferdraht gefertigt, mußten auf einen Längsdurchmesser von 11 mm und einen Seitendurchmesser von 3 mm ca. über 2000 Windungen untergebracht werden. Es war nicht möglich, diese Spulen von einer Zubringerindustrie in diesem Sektor zu erhalten, weshalb das Uhrenwerk Ersingen zu dem schwerwiegenden Entschluß kam, die Spulen auf fünf nach besonderen Angaben modernst eingerichteten Spulenwickelautomaten im eigenen Betrieb herzustellen. Diese Herstellung - einer der schwierigsten Faktoren - wurde in ausgezeichneter Weise gelöst. Demzufolge werden die schwierigsten Teile dieser Uhr selbst im Mutterbetrieb unter einer unsagbar genauen Kontrolle gefertigt. Die Empfindlichkeit der Spule wurde durch einen Spezialtrockenlack total beseitigt.

Ein Handbuch als "Treuer Helfer" für den Uhrmachermeistern in dem sämtliche Werkabbildungen und genauen Erklärungen enthalten sind, wird in kürze durch die Auslieferungslager dem Uhrmachermeister zur Verfügung stehen. Der Verkauf der elektrischen Armbanduhr "Epperlein Electric" erfolgt nur durch den Fachhandel, der Ladenverkaufspreis dieser elektrischen Armbanduhr beträgt 185 DM.

Ganggenauigkeit

Die bisher erreichte Ganggenauigkeit erreicht o bis 2 Sekunde, innerhalb von 24 Stunden. Die Uhr war bisher ein kompliziertes Lebewesen. Die automatische Uhr (Selbstaufzuguhr) wurde durch den Einbau verschiedener Teile in jedem Falle fortschrittlicher, aber auch komplizierter und empfindlicher. Ein technischer Fortschritt ist also tatsächlich mit der elektrischen Armbanduhr erreicht worden. Wenige Teile - einfache Handhabung für den Uhrmachermeister und bisher unerreichte Ganggenauigkeit. Wer trägt die Verantwortung um sich dieser neuen Entwicklung zu verschließen?

Die Herstellerfirma versichert, daß der Verkauf dieser elektrischen Armbanduhr

nur über die Uhrenfachgeschäfte erfolgen wird.

Innerhalb der Uhrenfabrikation ist also dank des Fortschrittsgeistes im Ersinger Uhrenwerk des Fabrikanten Helmut Epperlein eine grundlegende Änderung in die Wege geleitet worden, die den Blick der ganzen Welt auf die einheimische Uhrenfabrikation richtet.

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