Hettich Swing 66

S. Urban
Sonderdruck aus der NUZ Neue Uhrmacher-Zeitung, Nr. 1 vom 15. Januar 1967

Das neue Hettich Swing-66 Werk

Allgemein sind Schwebegang-Uhrwerke seit langem bekannt und haben sich in der Praxis gut bewährt. Schwebeganguhren zeichnen sich dadurch besonders aus, daß der Lagerdruck aufgehoben wird. Die seitliche Führung derartiger Unruhen wird erreicht, indem durch die Hohlwelle der Unruh ein Stahldraht gespannt wird und die in die Hohlwelle eingepreßten Lagersteine auf diesem laufen.

Batterieuhren, die mit Schwebegang ausgerüstet sind, wurden bislang nur als Magnetanker-Aufzuguhren gebaut. Ein normales Räderwerk mit Ankerrad, Anker und Unruh wird durch ein Gewicht angetrieben. Kurzzeitig wirft ein Elektromagnet das Gewicht hoch. Das Aufzuggeräusch der Magnetanker-Aufzuguhren wirkt daher im allgemeinen störend. Dazu kommt noch, daß derartige Uhrwerke keine echten elektrischen Uhren, sondern normale Uhren mit elektrischem Aufzug sind. Obwohl die durchschnittliche Ganggenauigkeit wesentlich besser gegenüber der Federzuguhr ist, bleiben in diesen Konstruktionen die übrigen Probleme, Räderwerk unter Last, Auslaufen der Lager und Ankerstifte, Gangbeeinflussung durch Ölverharzung bzw. Trockenlaufen der Ankerstifte und dgl. bestehen.

Seit langem ist bekannt, daß Uhrwerke, bei denen der Gangregler direkt angetrieben wird und die Zeiger vom Gangregler weitergeschaltet werden, im allgemeinen wesentlich anspruchsloser im Räderwerk sind. Das Räderwerk hat hier nur noch die Aufgabe, die Zeiger im Rhythmus des Gangreglers weiterzubewegen. Dadurch ergibt sich ein beinahe kraftlos und vor allem ohne Lagerdruck arbeitendes Räderwerk.

Wichtig an diesen Uhren ist lediglich, daß der Fortschaltmechanismus einwandfrei arbeitet, damit einmal durch fehlerhafte Weiterschaltung keine Zeitdifferenzen auftreten und zum anderen der Gangregler einer möglichst geringen mechanischen Belastung ausgesetzt wird.

Der Wegfall des Aufzuggeräusches und die sich durch einen direkt angetriebenen Gangregler ergebenden Vorteile reizten schon immer die Uhrenkonstrukteure. So ist es nicht verwunderlich, daß von der Uhrenfabrik Hugo Hettich nun ein Werk konstruiert wurde, das die Eigenschaften des Schwebegangs mit den Vorteilen eines Zeigerwerkantriebs durch den Gangregler vereinigt. Darüber hinaus arbeitet der Antrieb des Gangreglers mit einer Transistor-Schaltsteuerung, so daß die bekannten Nachteile von mechanischen Mikrokontakten ausgeschaltet werden.

Grundplatte mit Räderwerk

Abbildung 1 zeigt die Gesamtansicht des Werkes. Das Werk läßt sich durch Lösen von jeweils 2 Schrauben ohne weiteres in seine drei Baugruppen zerlegen.

Zur Baugruppe Grundplatte mit Räderwerk (Abbildung 2) ist nur zu sagen, daß das Räderwerk lediglich 2 Bedingungen erfüllen muß:

  1. Die Verzahnung muß ineinander greifen,
  2. das Räderwerk darf nicht klemmen.

Schwinger und Zeigerfortschalteinrichtung

Abbildung 3 zeigt die komplette Baueinheit des Schwingers, der an einer kräftigen, zylindrisch gewickelten Spiralfeder aufgehängt ist.

Die seitliche Führung des senkrecht hängenden Schwingers erfolgt in der bekannten Schwebegang-Bauart. In die Hohlwelle des Schwingers sind 2 Lochsteine eingepreßt, durch welche ein Stahldraht führt. An einem Ende des balkenartigen Schwingers sind 2 Dauermagnetstäbe befestigt, am anderen Ende befindet sich das Gegengewicht, an dem gleichzeitig die Zeigerwerk-Fortschalt-klinke angebracht ist.

Baueinheit des Schwingers mit Zeigerfortschalteinrichtung

Auf dem gleichen Stahldraht, der zur Führung des Schwingers dient, ist unterhalb des Schwingers das Zeigerfortschaltrad in der gleichen Weise wie der Schwinger gelagert. Die Gegensperrfeder ist oberhalb des Schaltrads drehbar befestigt und ermöglicht eine entsprechende Einstellung, damit die Fortschaltung einwandfrei arbeiten kann.

Elektronische Baugruppe

Die elektronische Antriebseinheit (Abbildung 4/5)

Die einzelnen Teile sind auf der Leitplatte montiert. Die stromführenden Verbindungen sind deutlich zu erkennen. Von dieser Einheit führen 2 Kabel zu den Batterieanschlüssen.

Vorsicht! Die mit einem Kupfer-Lackdraht von nur 0,035 mm Durchmesser bewickelten Spulen sind gegen Beschädigungen empfindlich. Besonders gilt dies für die jeweiligen Anschlüsse.

Die Funktion

Funktionsschema

Zur nun folgenden Erklärung der Funktion betrachten Sie bitte die Schemazeichnung Abbildungen 6 und 6a. Durch einen Anwurfhebel wird der Schwinger in Bewegung gesetzt. Die auf dem Schwinger befindlichen Dauermagneten (M) erzeugen ein Magnetkraftfeld (gestrichelte Bogenlinien). Bewegt man ein Magnetkraftfeld in einer Spule, so wird in dieser ein Strom erzeugt. Der auf diese Weise erzeugte Stromimpuls ist ein Wechselstromsignal von geringer Kraft, die jedoch ausreicht, einen entsprechenden Transistor durchzusteuern.

Die beiden Enden der Steuerspule sind an die Transistoranschlüsse B = Basis, E = Emitter angeschlossen. In unserem Fall wird von dem wechselstromartigen Signal nur die negative Halbwelle benötigt. Gelangt diese auf die Basis des Transistors, so wird dadurch bewirkt, daß der Transistor zwischen den Anschlüssen C = Kollektor und E = Emitter leitend wird. Dies bedeutet für einen Stromkreis, der aus Batterie-Arbeitsspule-Transistor (C-E Strecke) gebildet wird (Abbildung 6), daß beim Eintreffen eines Steuersignals, welches in der Steuerspule erzeugt und auf die Anschlüsse B und E des Transistors gelegt wird, der Transistor durchsteuert und der Stromkreis leitend wird.

Das in und um die Arbeitsspule erzeugte Elektromagnet-Kraftfeld wirkt auf das Dauermagnetkraftfeld der Schwingermagneten. Dadurch werden dem Schwinger die notwendigen Kraftimpulse zugeführt, damit die Schwingerbewegung aufrecht erhalten werden kann. Das jeweilige Ein- und Ausschalten des Arbeitsstromkreises wird vom Transistor besorgt, der in diesem Fall als elektronischer Schalter ohne bewegliche mechanische Teile arbeitet und demnach praktisch keinem Verschleiß unterliegt. Eine Abnützung oder Verschmutzung wie bei einem mechanischen Schaltkontakt kann nicht eintreten.

Der Schwinger - einmal angestoßen - arbeitet mit 20 Halbschwingungen in der Sekunde. Diese Schwingungszahl liegt wesentlich höher als die Schwingungszahl normaler Uhren und wird als Schnellschwinger bezeichnet. In der Regel lassen sich mit Schnellschwinger-Gangreglern bessere Ganggenauigkeiten erreichen.

Die am Schwinger angeordnete Schaltklinke bewirkt, daß das Schaltrad bei einer Vollschwingung um jeweils einen Zahn weitergeschaltet wird. Eine Sperrfeder verhindert das Zurückdrehen des Schaltrades beim Rücklauf der Schaltklinke. Die Schwingungsweite beträgt im Mittel ca. 25 Grad. Aufbau und Wirkungsweise derartiger Uhrwerke eignen sich nur für den stationären Betrieb, z.B. Küchenuhren, Wohnraumuhren. Die mechanischen Abnützungen sind gering, es ist daher mit entsprechend langen Laufzeiten zu rechnen. In den ersten Werken wurde ein Messingschaltrad verwendet. Die neueren Ausführungen erhalten ein Schaltrad aus Kunststoff. Da Schaltklinken und Schaltzahnräder unbedingt ölfrei betrieben werden müssen, wird ein frühzeitiger Verschleiß dieser Teile durch Verwendung von Kunststoff-Schalträdern verhindert.

Der Stromverbrauch

beim geprüften Werk betrug 85 uA, was einem jährlichen Stromverbrauch von etwa 0,65 Amperestunden entspricht. Eine normale Monozelle, z. B. PERTRIX 232, hat eine Kapazität von ca. 5 Amperestunden.

Die Konstruktion des Werkes ist derart ausgelegt, daß bei absinkender Batteriespannung auf etwa 1,1 Volt die Schwingungsweite derart nachläßt, daß das Zeigerwerk nicht weiterschaltet - also die Uhr stehen bleibt.

Die Laufzeit mit einer Batterie kann mit Sicherheit 2 Jahre betragen.

Bei allen Motor-Unruhschwingern, wozu auch dieses Werk zu zählen ist, ist das Gangverhalten bei absinkender Batteriespannung von besonderer Wichtigkeit. Bei dem vorliegenden Musterwerk betrug die Abweichung zwischen 1,6 Volt und 1,1 Volt maximal 4 Sekunden / 24 Stunden.

Die Messungen wurden mit dem Batterieuhren-Prüfgerät "electro-test U" in Verbindung mit der Zeitwaage "Vibrograf B 100" durchgeführt. Die Ergebnisse können als gut bezeichnet werden. Das Werk ist mit einer Feinregulierung ausgerüstet, die auch von einem Laien leicht und gut zu bedienen ist. Das Werk kann mit und ohne Mittelsekunde ausgeführt werden.

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