Uhren mit mechanischem Schwinger

Uhren mit Einspulen-System

Ersatz der Steuerspule durch eine Phasenumkehrstufe

Es ist möglich, die beim Zweispulen-System erforderliche Steuerspule wegzulassen, indem das Steuersignal für die Uhr-Elektronik aus der Antriebsspule abgeleitet wird. In der Antriebsspule steht die Information über die Stellung der Spule zum Magnetsystem zur Verfügung, allerdings in einer Polarität, die zum Aufsteuern des Arbeitstransistors ungeeignet ist. Mit einer Umkehrstufe dreht man die Phasenlage der induzierten Spannung der Antriebsspule und kann jetzt mit dem gedrehten Signal den Arbeitstransistor ansteuern.

Die Phasenumkehrstufe besteht aus einem zum Arbeitstransistor komplementären Transistor. Die Komplementärschaltung ist vorteilhaft, weil beide Transistoren nur während des relativ kurzen Antriebsimpulses leitend sind und Strom ziehen. Der zusätzliche Stromverbrauch bleibt dadurch klein. Die Phasenumkehrstufe ist über ein einfaches Koppelnetzwerk mit der Antriebsspule verbunden, siehe Bild 1. Außerhalb der Stromflusszeit bleibt die Schaltung durch eine am Emitterkondensator der Phasenumkehrstufe entstehende Vorspannung sicher im gesperrten Zustand.

Einspulen-Uhrantriebsschaltung

Bild 1: Einspulen-Uhrantriebsschaltung, Ankopplung der Phasenumkehrstufe über
a) ohmschen Spannungsteiler
b) RC-Glied

Mit der beschriebenen Schaltung ist auch ein Anlauf aus dem Stillstand möglich, da bei fehlender induzierter Spulenspannung die Schaltung Kippschwingungen als komplementärer Multivibrator ausführt, die schon bei kleiner Amplitude von der Unruh synchronisiert werden.

Die integrierte Schaltung TBA 840

Die integrierte Schaltung TBA 840 wurde bei INTERMETALL nach dem Prinzip von Bild 1a entwickelt, weil diese Schaltung mit der geringsten Zahl von äußeren Schaltungselementen und damit Anschlusspunkten auskommt. Außer der Antriebsspule und der Batterie benötigt eine mit dem TBA 840 aufgebaute Uhr-Elektronik nur noch einen Kondensator.

Bild 2 zeigt die Innenschaltung und die äußere Beschaltung des TBA 840 und Bild 3 den zeitlichen Verlauf der Spannung U3 und des Stromes I3 für ein Dreimagnet-System.
In der tatsächlich hergestellten Schaltung, wurde der Widerstand R4/1 weggelassen und der Emitter von T2 an Anschluss 1 herausgeführt. Der Anschluss 4 blieb unbeschaltet. Später wurde eine andere Schaltung TCA 840 in einem kleineren Gehäuse herausgebracht, die diesen Widerstand wider enthielt. Von dieser Schaltung gab es unterschiedliche Varianten für verschieden träge Schwingsysteme  (mit anderen Widerständen R4/1), die auch für Stimmgabelschwinger geeignet waren.

TBA 840

Bild 2: Innenschaltung und Betriebsschaltung des TBA 840

TBA 840

Bild 3: Zeitlicher Verlauf der Spannung U3 und des Stromes I3 am Beispiel eines Dreimagnet-Systems. US1 ist die Einschaltschwelle und US2 die Ausschaltschwelle.

Mit der Spule in Reihe liegt der integrierte Widerstand R1, an dem im durchgeschalteten Zustand ein Teil der induzierten Spannung abgegriffen wird. Ohne diesen Widerstand ist eine definierte Abschaltung durch die induzierte Spannung nicht möglich, weil der Spannungsabfall U3 dann nur noch die Sättigungsspannung des Arbeitstransistors wäre. Nach Bild 4 lautet die Gleichung für die Restspannung

U3 = - R1 / (RL + R1) * Uin + R1 / (RL + R1) * (UB - USat) + USat

Anders als beim Prinzipschaltbild (Bild 1a) ist beim TBA 840 in der Schaltung Bild 2 der Entladewiderstand R3/4 an den Spulenanschluss 3 und nicht an +UB angeschlossen. Neben der Einsparung eines direkten IC-Anschlusses für den positiven Pol der Versorgungsspannung wird vor allem verhindert, daß die Schaltung ähnlich wie ein Thyristor in einen dauernd leitenden Zustand gelangen kann, denn über den Widerstand R3/4 fließt im gekippten Zustand kein Haltestrom für den Transistor T2.

Definition der Restspannung

Bild 4: Zur Definition der Restspannung U3sat

Der Hilfstransistor T3 unterstützt die Aufladung des Kondensators durch den Emitterstrom von T2. Dabei bleibt das Schaltungsprinzip von Bild 1a trotz des weiteren Transistors grundsätzlich erhalten. Mit dem integrierten Gegenkopplungskondensator C1 wird verhindert, dass die Schaltung auf der Eigenresonanzfrequenz der Spule schwingt. Diese Schwingung würde den Antriebsimpuls beeinflussen, weil der Transistor T1 nicht mehr richtig durchschalten würde. Die Amplitude der Unruh würde absinken und die Uhr einen Gangfehler bekommen.

Der Einschaltvorgang

Überschreitet die induzierte Spannung Uin die Einschaltschwelle US1 (siehe Bild 3), so führt die starke Mitkopplung zwischen den Transistoren T1 und T2 zum Umkippen der Schaltung vom gesperrten in den leitenden Zustand. Durch die Spule fließt jetzt der Antriebsstrom I3. Gleichzeitig wird durch den Emitterstrom von T2 der Kondensator C aufgeladen. Der Hilfstransistor T3 unterstützt diese Aufladung. Die Einschaltschwelle US1 resultiert aus dem Spannungsteiler R2, R3, der Kondensatorspannung UC, der Basis-Emitter-Spannung UBE2 und der Batteriespannung UB. Die Einschaltschwelle US1 ist nicht konstant, sondern nimmt in der Impulspause infolge der Entladung des Kondensators C über den Entladewiderstand R3/4 ab. Zum Einschalten des Arbeitstransistors T1 muss der Augenblickswert der induzierten Spulenspannung folgenden Wert annehmen:

Uin ≥ (R2 + R3) / R3 * (UBE2 + UC) - R2 / R3 * US

Der Ausschaltvorgang

Das Zurückkippen der Schaltung vom leitenden in den gesperrten Zustand erfolgt, wenn nach dem Maximum der induzierten Spannung der größer werdende Antriebsstrom am Widerstand R1 einen so großen Spannungsabfall erzeugt, dass die Ausschaltwelle U32 unterschritten wird. Auch hier wird der Kippvorgang durch die Rückkopplung in der Schaltung unterstützt. Am Anschluss 3 des TBA 840 springt die Spannung auf den Wert der induzierten Spannung zurück. Die Schaltung verhält sich nun passiv. Der Kondensator C wird über den Entladewiderstand R3/4 langsam entladen. Die kleiner werdende Kondensatorspannung erniedrigt die Einschaltschwelle und bereitet so den nächsten Antriebsimpuls vor. Die Ausschaltbedingung lautet:

U3 ≥ (R2 + R3) / R3 * (UB - UC - UBE2)

Die Amplitudenstabilisierung

Bei den herkömmlichen mechanischen Uhrwerken ist die Antriebsleistung für die Unruh konstant. Die Amplitude der Unruh ist daher lastabhängig. Anders dagegen wird bei den elektrodynamischen Uhrantrieben die Unruhamplitude automatisch stabilisiert, weil sich die Antriebsleistung über die Stromaufnahme der Last anpasst. Diese Eigenstabilisierung erfolgt durch den TBA 840, denn die Schaltschwelle wird durch das Maximum der induzierten Spannung mitgezogen. Insbesondere ist daran der Hilfstransistor T3 beteiligt. Die Dauer der Antriebsimpulse wird so durch die Schaltschwelle beeinflusst.

Wird z.B. durch einen Drehstoß die Amplitude der Unruh größer, dann bewirkt die erhöhte Schaltschwelle, dass der Antriebsimpuls kürzer wird. Die eingekoppelte Energie ist klein, und die Amplitude der Unruh sinkt rasch auf ihren Normalwert ab. Bei zu kleiner Amplitude der Unruh ist die Schaltschwelle niedrig, und dadurch vergrößert sich die Dauer des Antriebsimpulses. Die eingekoppelte Energie ist groß und beschleunigt die Unruh, bis die Normalamplitude wieder erreicht ist.

Da das entladungsabhängige Absinken der Batteriespannung bei den verwendeten Quecksilber- oder Silberoxidbatterien sehr gering ist, konnte auf eine zusätzliche Spannungsstabilisierung in der integrierten Schaltung verzichtet werden.

Das Temperaturverhalten

Der Temperatureinfluss der integrierten Schaltung TBA 840 auf die Höhe der Schaltschwelle und damit auf den Antriebsimpuls ist gering. Transistor T1 ist stromgesteuert und daher unempfindlich gegen Temperaturschwankungen. Bei dem spannungsgesteuerten Transistor T2 ginge jedoch die Temperaturabhängigkeit der Basis-Emitter-Spannung mit  -2mV/grd in die Schaltschwelle ein, wenn der Emitter von T2 an ein festes Bezugspotential angeschlossen wäre, siehe Bild 3. Das ist aber nicht der Fall - der Emitter von T2 ist an den auf die Spannung UC aufgeladenen Kondensator angeschlossen -, und eine Änderung der Basis-Emitter-Spannung um dU ändert die Kondensatorspannung UC um -dU, weil das Kondensatorpotential über T2 und insbesondere durch T3 auf seinen genauen Wert eingestellt wird. So geht in die Einschaltschwelle US1, bei der der Transistor T2 leitend wird, dU einmal mit positivem und einmal mit negativem Vorzeichen ein und wird dadurch neutralisiert.

Die Temperaturabhängigkeit der integrierten Widerstände ist ohne Bedeutung für die Funktion der Schaltung, denn solange das Verhältnis der Widerstände konstant bleibt, ist die Schaltung unempfindlich gegen Widerstandsschwankungen. Infolge der thermischen Kopplung im Kristall haben aber alle integrierten Widerstände des TBA 840 denselben Temperaturkoeffizienten, so dass ihr Verhältnis konstant bleibt.

Man kann zusammenfassend sagen, dass für Uhrwerke mit ausreichend großer induzierter Spannung die Amplitude der Unruh im Betriebstemperaturbereich nahezu konstant ist.

Selbstanlauf

Der TBA 840 ermöglicht absoluten Selbstanlauf der Unruh. Durch die Regeleigenschaften der Schaltung ist die Antriebsleistung bei kleiner Unruhamplitude groß. Die Unruh erreicht dadurch schnell ihre Nennamplitude. Die Nichtlinearität der Kondensatoraufladung durch Transistor T3 (Bild 2) bei kleiner Amplitude unterstützt den Anlauf, weil die Schaltschwelle anfangs niedrig bleibt.

Bei stillstehender Unruh schwingt die Schaltung als astabiler Multivibrator. Die Periodendauer der erzeugten Kippschwingung liegt dabei über der Periodendauer im normalen Betrieb. Sie entspricht etwa der Zeitkonstante t = C * R3/4. Im leitenden Zustand des Arbeitstransistors T1 treibt der durch die Antriebsspule fließende Stromimpuls die Unruh an und bringt sie auf eine Amplitude, bei der die Kippschwingung durch die induzierte Spulenspannung synchronisiert wird. Bei der Synchronisation überschreitet die Spulenspannung die absinkende Schaltschwelle im richtigen Augenblick und löst einen Antriebsimpuls aus.

Ist die Unruh sehr träge, so wird die Synchronisation erst über eine Teilsynchronisierung erreicht, weil die Amplitudenzunahme pro Antriebsimpuls nur gering ist. Während der Teilsynchronisierung wird zwar jeder Antriebsimpuls zum richtigen Zeitpunkt im Spannungsmaximum ausgelöst, aber die Pulsfolge überspringt ein bis drei mögliche Synchronisationsschritte. Die Amplitude steigt so langsamer an als im vorigen Absatz beschrieben. Mit steigender Amplitude der Unruh werden die Synchronisationsschritte stufenweise kürzer, bis zuletzt die volle Synchronisation bei 30...40° Schwingungswinkel der Unruh eintritt.

Betriebsdaten

Die Ermittlung der Betriebsdaten bei einem vorhandenen Uhrwerk ist leicht möglich, wenn das Werk nach den Dimensionierungsvorschriften an den TBA 840 angepasst wird. Zur Messung des Stromverbrauchs sollte ein Messinstrument mit einem Innenwiderstand < 30Ohm und mit vernachlässigbarer Induktivität verwendet werden. Es wird der arithmetische Mittelwert der Stromimpulse gemessen, Messschaltung Bild 5.

Messschaltung

Bild 5: Messschaltung                         Bild 6: Nachbildung der induzierten Spulenspannung

Um zu allgemeingültigen Daten zu kommen, die nicht an ein spezielles Uhrwerk gebunden sind, lässt sich mit handelsüblichen Funktionsgeneratoren jeder typische Betriebsfall reproduzierbar einstellen. Mit einer periodischen Spannung nach Bild 6 wird der Verlauf der induzierten Spulenspannung von Ein- und Dreimagnet-Uhrwerken befriedigend genau nachgebildet. Für Zweimagnet-Uhrwerke ist die Nachbildung der induzierten Spulenspannung auf diese einfache Weise zwar auch möglich, nur ist zu beachten, dass hierbei die Unruh nur einen Antriebsimpuls je Vollschwingung erhält. Der Polaritätswechsel der induzierten Spannung zwischen Hin- und Rückschwung der Unruh führt nur in einer Schwingungsrichtung zur Auslösung des Antriebsimpulses. Die Periodendauer der nachgebildeten Spulenspannung muss daher beim Zweimagnet-System gleich der Dauer einer Vollschwingung der Unruh sein.

Dimensionierungshinweise

Um ein vorgegebenes Uhrwerk optimal mit dem TBA 840 anzutreiben, kann es erforderlich werden, die Antriebsspule an den Einspulenbetrieb anzupassen. Das ist infolge der spezifischen Werkseigenschaften meist nur im Versuch möglich. Drahtdurchmesser, Windungszahl und damit der Spulenwiderstand werden so gewählt, dass die gewünschte Unruhamplitude bei der kleinstmöglichen Stromaufnahme erreicht wird.

Zur Anpassung des TBA 840 an das Uhrwerk gehört auch die richtige Wahl der Kapazität des externen Kondensators C. Davon hängt die Lage der Einschaltschwelle US1 und die Lage der Ausschaltschwelle US2 ab, siehe Bild 3. Sind beide Schwellen gleichgroß, so liegt der Antriebsimpuls symmetrisch zum Maximum der induzierten Spannung, und die Schaltung erreicht so ihren günstigsten Wirkungsgrad.

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